Presseschau 1967
Überregional
Die ZEIT vom Freitag 20. Oktober 1967, Nr. 42, Seite 17:
Marcel Reich-Ranicki
Politik in den Pausen
Rückblick auf die diesjährige Tagung der Gruppe 47
Um es etwas überspitzt zu sagen: Früher kamen die Verleger zu den Tagungen der Gruppe 47, weil sie dort neue Autoren suchten, heute muß Hans Werner Richter, der Chef der Gruppe, die Verleger um Empfehlungen für seine alljährliche Modenschau bitten; denn er hat kaum eine andere Möglichkeit, unbekannte junge Autoren ausfindig zu machen. Und er ist auf ihre Teilnahme aus zwei verschiedenen Gründen angewiesen.
Zunächst einmal haben die meisten prominenten oder doch arrivierten Schriftsteller schon seit längerer Zeit keine Lust mehr, ihre Arbeiten der oft scharfen und nicht immer gerechten mündlichen Sofortkritik auszusetzen. Das ist verständlich: Der anerkannte Autor riskiert immerhin einiges, ohne im günstigen Fall viel gewinnen zu können. Jedenfalls liegen die letzten Lesungen von Ingeborg Bachmann, Martin Walser, Wolfdietrich Schnurre und Peter Rühmkorf sechs Jahre zurück, bei llse Aichinger sind es auch schon fünf. Uwe Johnson debütierte bei der Gruppe 47 vor nunmehr sieben Jahren; es war zugleich sein bisher letzter Auftritt. Heinrich Böll hat seit 1957 auf keiner Tagung mehr gelesen. Eine Arbeit von Alfred Andersch stand zum letzten Mal 1955 zur Diskussion.
Gewiß, dank Richters Bemühungen kann man auf jeder Tagung auch einige bekannte Schriftsteller hören, aber es fällt auf, daß ihre Zahl immer kleiner wird. Andererseits würden die Treffen ihren ganzen Sinn und mindestens die Hälfte ihres Reizes einbüßen, wollte Richter auf die Teilnahme der Neulinge verzichten. Mehr noch: Wenn die Gruppe 47 volle zwei Jahrzehnte überdauert hat, so nur deshalb, weil sie sich unentwegt verjüngt. Gerade dem also, was auf den ersten Blick die Schwäche der Gruppe 47 zu sein scheint, verdankt Richters literarischer Salon seine Unverwüstlichkeit: der personellen Fluktuation.
Sie war diesmal besonders spürbar, weil ungewöhnlich viele Absagen der verhinderten oder ganz einfach der Tagungen überdrüssig gewordenen Schriftsteller (llse Aichinger, Ingeborg Bachmann, Heinrich Böll, Hans Magnus Enzensberger, Walter Jens, Uwe Johnson, Hans Mayer, Peter Weiss – um nur einige Namen zu nennen) Richter offensichtlich gezwungen hatten, die Einladungen großzügiger als sonst zu versenden. Da jedoch die Auswahl der Gruppendebütanten fast nur noch, wie gesagt, auf Grund der Vorschläge und Empfehlungen der Verlage erfolgt, kann die Gruppe 47 heute schwerlich den Anspruch erheben, Talente zu entdecken. Sie kann sie einzig fördern. Und sie kann Bücher verhindern, die vermutlich niemandem nützen würden. Das ist nicht wenig, gewiß, aber
mit der Rolle und der Funktion der Gruppe 47 in den fünfziger Jahren überhaupt nicht vergleichbar.
Somit zeugen die Tagungen auch von der Arbeit der Lektorate in einigen großen bundesrepublikanischen Verlagshäusern. Was dabei zum Vorschein kommt, lä ßt oft auf die Verwirrung der Kriterien und Kategorien schließen. In der Pulvermühle, dem idyllischen Schauplatz der keineswegs idyllischen Tagung, mußte man mehrere Lesungen über sich ergehen lassen, di e nicht der Erörterung wert waren. Ein Novum ist das nicht, immer schon gab es bei der Gruppe 47 auch indiskutable Auftritte. Sie wurden diesmal von den Anwesenden fast mit Gleichmut ertragen. Die Kritik reagierte auf die Irrtümer der Lektoren in der Regel rasch und knapp, nur einmal folgten auf einen miserablen Prosatext sieben allzu gründliche Äußerungen.
Indes hat es nicht an beachtlichen Lesungen von Gruppendebütanten gefehlt. Ganz unbekannt war bisher freilich nur die junge Grazerin Barbara Frischmuth. Sie las eine Geschichte über den unheimlichen Kampf einer einigermaßen abstoßenden Großmutter mit einer keineswegs sympathischeren Enkelin: hintergründige Prosa mit viel Atmosphäre und bösen Zwischentönen, exakte Schilderung eines kleinbürgerlich-katholischen Milieus in Österreich sorgfältige Komposition mit leitmotivisch wiederkehrenden Wendungen. Die junge Dame hat, glaube ich, vorerst nur Übersetzungen veröffentlicht. Falls es sich, was man noch nicht mit Sicherheit sagen kann, um eine Entdeckung handeln sollte, dann wäre es eine solche des Suhrkamp Verlages, denn dort wird bereits
das erste Buch der Barbara Frischmuth gedruckt, eine längere Erzählung, die im selben Milieu spielt.
Renate Rasp, eine 32 Jahre alte Münchnerin, galt schon seit einiger Zeit als Geheimtipp. Von ihr stammte die beste Erzählung in Dieter Wellershoffs Anthologie „Wochenende“, ihr erster Roman („Ein ungeratener Sohn“), vor wenigen Wochen bei Kiepenheuer & Witsch erschienen, blieb nicht unbemerkt. Der Gruppe 47 stellte sie sich als Lyrikerin vor.
In schmucklosen und wortkargen Versen, deren Strenge und Prägnanz niemals den Eindruck der Künstlichkeit erwecken, wird Intimstes mit verblüffender Offenheit formuliert! Leiden und Leidenschaft finden hier einen provozierend sachlichen und eben deshalb so einleuchtenden Ausdruck. Da das Thema der Renate Rasp der Sexus ist, hörte man In der Diskussion das Wort „Exhibitionismus“, worauf Günter Grass mit Recht erwiderte, dies gehöre nun einmal zum Geschäft des Lyri kers. Daß jedoch Renate Rasp nicht auf Motive angewiesen ist, die als gewagt gelten, stellte sie auch unter Beweis.
Bei der Bewertung der Verse und der allegorischen Prosa des in Berlin lebenden Griechen Vagelis Tsakiridis gingen, scheint mir, literarische und ußerliterarische Kriterien durcheinander. Man weiß, daß er aus politischen Gründen nicht in seine Heimat zurückkehren kann und daß ihm die Westberliner Behörden die deutsche Staatsangehörigkeit verweigert haben. So mögen manche freundliche Äußerungen eher Solidaritätserklärungen als literaturkritische Urteile gewesen sein. Recht hatte Joachim Kaiser, der einerseits seinen Respekt vor dem in einer Ihm fremden Sprache dichtenden Griechen betonte, andererseits aber meinte, wir hätten es doch eigentlich mit „lyrischem Rohstoff“ zu tun.
RENATE RASP – Schattenboxen
Nicht mehr
Schattenboxen
gegen eine Meinung
die er vor sich hält
aus der Zeitung
ausgeschnitten
unterstrichen,
was sie alles sagen, schreiben
hat er Tag und Nacht
bereit.
Kleine Puppen
mit sehr großen Köpfen
die da für ihn stritten,
ständig wechseln
vor dem Bett
das er sich gemacht hat
und an dessen weiße Stäbe
er sich klammert.
Die ZEIT Nr. 42 -vom 20.10.1967 – Seite 19 Fernsehen
Momos (Walter Jens)
1 m Pulverfaß: Mittwoch, 11. Oktober, 22.50 Uhr,
1. Programm: „20 Jahre Gruppe 47″
Von Momos (Das Kürzel steht für Walter Jens) Im Fränki schen tagten die Dichter. Drei Tage doubelte das Örtchen Waischenfeld Berlins Romanisches Cafe. Die Poeten der Gruppe 47 fanden sich in der Pulvermühle zusammen – vom Pulverfaß sprach, mit einem wahrhaft erhellenden Lapsus Linguae, die bajuwarische Ansagerin. Der SOS hielt die Lunte, verbrannte Springer-Blätter und säte Zwietracht unter den Meistern des Worts.
Parteien, so schien es, hatten sich inmitten der Dichter gebildet, Walser erwähnte dergleichen, während er in blümelnder Rede einen für Hans Werner Richter gepfl ückten Feldstrauß interpretierte. Erich Fried nahm die Erlanger Demonstranten in Schutz, Grass hingegen deutete, auf Scheiterhaufen verweisend, eher einen SA-Vergleich an: Eigentlich, so erfuhr man aus seinem eigenen Mund, habe er die Unterschrift am Ende der Anti-Springer-Resolution zurückziehen wollen, da der Kollege Lettau (man sagte gern und häufig Kollege in dieser Sendung; das war etwas Neues für mich, das gab’s früher nicht) jenes besagte Manifest den Rebellen habe mitteilen lassen. (Und das mit der Anrede Liebe Genossen.)
Kurzum, es schien Zunder gegeben zu haben in der Pulvermühle, in dieser idyllischen Gegend, wo die Kameramänner so re ichlich Gelegenheit fanden, den Dichter-Automobilen das einheimische Federvieh gegenüberzustellen und aus Lyrikerbärten (Eich, so schien mir, stand er wirklich, der Bart, unterstrich er doch den Mandarinenzug seines Gesichts, das Witzig-Weise des chinesischen Mönchs), aus Miniröcken und Gänseschnäbeln, aus aparten Frisuren und dörflichem Fachwerk eine Reihe von Lesebuchbildern zusammenzuschneiden: das Künstlervölkchen und, vom Pfa rre r ermahnt, die Gemeinde des Dorfs.
Man sah eine Reihe alter Bekannter: Hildesheimer trug Gepäck und zählte gemeinsam mit Dr. jur. Kluge die Stimmen, Jürgen Becker formulierte nobel-bescheidene Sätze in Kölnischer Mundart, sekundenschnell huschten, Sentenzen austauschend, Joachim Kaiser und Marcel Reich-Ranicki vorbei; auch lesende wurden gezeigt, Tsakiridis mit der Zigarette zwischen den Fingern, blatthaltend und Verse akzentuierend (diese rauchenden und nicht rauchenden Redner wirken immer befremdlich, in der ersten Reihe errechnen die Kritiker den Zeitpunkt, an dem die Aschenkreise sich löten und die Finger versengt werden müssen, aber die lesenden spüren die Ablenkung nicht). Ein Jammer nur, daß man die vernünftigen Tadler, Höllerer, Kaiser, Ranicki, nicht in Aktion sah, daß die Spitzen und Witzchen, die Thesen und Revokationen nur im Verborgenen blähten und der Zuschauer um das Vergnügen gebracht wurde, die Elogen auf Renate Rasp oder Grassens Abkanzelung, schlecht, schlecht erging es ihm, hört man, auf dem elektrischen Stuhl, mit anschauen zu können. (Dafür sagte dann Becker zweimal dasselbe, und niemand schnitt die Doublette heraus.) Hans Werner Richter, zum Abschluß, verglich die Stunden in der Pulvermühle mit der legendären Tagung von Niendorf, Anno 52, als Celan die Todesfuge, llse Aichinger die Spiegelgewichte und Ingeborg Bachmann die gestundete Zeit las. Wenn dergleichen tatsächlich auch im Fränkischen zum Vortrag gelangte – wie schade, daß wir es in dieser Sendung nicht hörten.
Darmstädter Echo vom 11.10.1967
Gabriele Wohmann
Die Gruppe 47 tagt in der Pulvermühle
All you need is ….. Literature
Jährlich im Herbst fragen sich die Gegner der Gruppe 47 in fleißig empörten Artikeln, ob diese Tagung denn nun endlich als letzte den gefährlichen Spaß besiegle, ob die Gruppe 47 jetzt den längst fälligen Tod sterbe zur Erleichterung derer, die Hans Werner Richter nicht einlädt – aber sie überlebt, le bt gut, durch die trübemißbilligenden Orakel eher gestärkt, hochstilisiert und den einen zu links, den andern nicht links genug, profitiert vom Groll der Gegner und gewinnt mit schmähenden Apostrophierungen noch mehr Publizität, lebt im zwanzigsten Jahr, wird die Polemik auch dieses Herbstes überleben und daher 1968 mit 21 mündig. Zwischen Buchen hieß uns ein Spruchband „Herzlich willkommen“. Die bundesrepublikanische Fahne draußen, das Kruzifix in allen Schlafzimmern und auch im großen Saal verbürgte sich für Rechtschaffenheit in jeder Richtung. Girlanden, die mittels, grünem Papiergeschnitzel Tannennadeln simulierten, hingen im Qualm, zwischen ihnen glühten vielfa rbige Lämpchen, alles ein bißchen wie zu einem Schützenfest.
Am 6.10. eröffnete Richter, nachdem er um kurzes Gedenken im Stehen bat, denn Walter Maria Guggenheimer starb im Sommer, so sachlich wie immer diese Versammlung seiner Freunde und der übrigen, die alle miteinander am Vorabend zu lang aufgeblieben waren, gleichwohl bereitwillig jetzt, Lesungen zuzuhören. Frau Toni Richter hatte diesmal vergessen, ihrem Mann die Ordnung rufende Glocke einzupacken, aber an ihr umfangreiches Textilsortiment gedacht, die anderen Damen – Autorenfrauen, Freundinnen, Bräute – ebenfalls. Wie während jeden Treffens konnten die wenigen, die sich nach wie vor einfach irgendwie anziehen, daß heißt, konventionell unengagiert, den aktuellen Stand der Mode kennenlernen. Die Pulvermühle samt angrenzender Landschaft blieb 5 Tage lang verschont von den Ladenmänteln Nagelschuhen und Kniehosen wandernder Naturfreunde und wurde diesmal mit Heißenbüttels geblümten Hemden, mit Bieneks weißer Ganovenkappe und seinem lindgrünen Pullover bunter; Levy’s Jeans, eng und aus Cord an dünnbeinigen Leuten wie Lettau und Höllerer, exklusiv gestreifte Oberhemden der Westberliner, Mao-Look und Mini-Jupes. Die Plakette an Erich Frieds Hemdkragen empfahl: Liebet Springer, die kleine NPD und die Große Koalition, und der blaue Knopf an Lettaus Revers meinte den Ernst weniger parodistisch: Warning: Your local Police are armed and dangerous.
Bei den zahlreichen Debütanten, aufgeregt wie sie sein sollen, schnitten diesmal die Damen besser ab, statistisch betrachtet „Die Damen drücken uns nicht, schreiben uns aber an die Wand“, urteilte Grass, der im Übrigen sich an seine eingeübte Gepflogenheit halten und stets streng am Text bleiben wollte, und der es wie eh und je souverän ertrug, wenn durch so manchen dieser Texte seine eigenen Schreibspuren zogen. Gegen leise lesende Autoren kamen leicht die Schweine an, die jenseits des Hofs im Stall grunzten. Als einziger genuiner Beatles-Verehrer -vielleicht außer Heißenbüttel, der Lerneifer besitzt – hat Reinhard Baumgart mit mir bei jedem Vorübergehen schnell Takte aus All you need ist Love gewechselt. All you need is Love, ein Song, der sogar aus Individualisten, wie Schriftsteller sind oder sein so llten, einen laut und gerührt singenden Kreis bildete, Höhepunkt des diesjährigen und zwanzigsten Festes – aber ich greife vor. Kritik während der Lesungstage, von Freitagmargen bis Sonntagnachmittag, während der Aufmerksamkeit für diesmal 25 Autoren, hört sich manchmal so an: Lettau fand es entsetzlich langweilig, auch modisch, und lobt sich für die Kürze seiner Äußerung. Reich-Ranicki hat es so langweilig doch auch wieder nicht gefunden, empfiehlt jedoch dem schweigsam erduldenden Autor zu Richters unparteiischer Rechten, endlich alles zu vergessen, was er je gelesen habe. Kaiser hat es, so früh am Morgen, schlecht vertragen, will aber längst nicht so scharf ablehnen wie Lettau und sieht diese Prosa hart an die Illustrierten gebeugt, in der ungenauen Mitte zwischen Beckett und „Constanze“. Einen anderen Neuling empfängt nach dem Vortrag einer von Ratten besiedelten Familienidylle ausgedehntes Schweigen. „Einer muß doch was sagen“, sagt Richter, „bitte, Marcel.“ Darauf gesteht Marcel Reich-Ranicki, der Text sei ihm völlig unverständlich geblieben, aber gefallen habe er ihm auch nicht, und er bezweifle außerdem die Fähigkeit von Busen, zuzuschnappen, im Unterschied zu anderen weiblichen Korperteilen sei diesen ein solcher Akt der Aggression nicht möglich. Eine Autorenehefrau ruft ihm etwas beleidigt zu: „Dann haste aber schlechte Busen erlebt.“ Ranicki möchte sich hierüber lieber privat weiterunterhalten, und Grass, der an schnappende Brüste glaubt, aber jetzt nicht drüber reden will, will am Text bleiben, bleibt aber nicht, sondern hört auf. „Hochambitioniertes Sprachballett“, sagt Höllerer von dem, was Kaiser „epische Feigheit“ nennt und Ferber „sympathisch“ findet, während Amery „banal enttäuscht“ ist. Fried hat immer noch nicht gesagt, wird aber noch viel sagen, wird auch wünschen, daß man den Autoren präziser zuhöre, worauf Grass den Kritikern präziseres Zuhören bei der Kritik nahelegt. Höllerer fragt sich Irgendwann, warum er aufgeatmet hat, als der Autor zu Ende war, andere können es ihm erklären, und jetzt ist es Zeit zu berichten, daß der Kritikfront diesmal die Redner Jens, Mayer, Enzensberger gefehlt haben. Ausländer formulieren jeweils höflicher und vorsichtiger als einheimische: diesmal der Skandinavier Lars Gustaf son, dessen eigene Lesung ein Überfall von demonstrierenden SOS-Studenten aus Erlangen mit platzenden Luftballons, anderem Lärm und Protesttafeln störte. Schon in der Nacht hatten die aufgeregten Studenten fränkische Baumstämme mit violetten Zetteln dekoriert: Lieber tot als Höllerer; Dreht Springer krumme Dinger; Politisch werden ist nicht schwer: kauft keine Springer-Zeitung mehr. Die Plakate, mit denen die SOS-Gruppe am 7.10. nachmittags das Gelände der Pulvermühle einnahm, enthielten Mitteilungen von der Art: Hier tagt Familie Saubermann; Wir wollen rein; Richter gib die Dichter frei; Krampf laß nach ; Die Gruppe 47 ist ein Papiertiger; Spielt nicht Billard um halb zehn, sondern Katz und Maus mit Springer; Ein Weißmacher ist zu wenig – und Peter Weiss hat es gar nicht lesen können, denn er blieb diesmal weg. Augsteins Eintritt in das mittlerweile bedrohte Lesungszimmer wurde durchs Platzen des ersten Ballons und das Gebell von Kolbenhoffs literarisch interessiertem Terrier Stasi, der immer sein Stichwort kannte, zwar wirkungsvoller, hatte aber mit all dem nichts zu tun. Die Landbevölkerung würdigte den merkwürdig veränderten Schauplatz mit Neugier, Kinder auf der Armen und an den Händen ihrer Mütter schauten innerhalb stummer Familiengruppen zu, und alles sah gar nicht mehr so fränkisch aus, ging aber vorbei, ehe Richter die Polizei holte. Die Schriftsteller der Gruppe 47 haben dennoch, und zwar in der Nacht davor, unter Lettaus angelsächisch- routinierter Regie die SDSVorwürfe mit einer Resolution gegen den Springer-Konzern ernstgenommen, und diese Resolution, von Lettau dreimal verlesen, wurde genauso präzise diskutiert wie ein literarischer Text, nach logischen und juristischen Fehlern durchforstet – alles das, obwohl jemand anmerkte, die Gruppe erweise sich als Team im gemeinsamen Herstellen von schlechter Prosa. 76 Unterzeichnungen. Die Verleger werden erst auf der Buchmesse einen Beschluß übers Inserieren in Springer-Zeitungen verfassen.
Den Preis der Gruppe 47 haben in diesem Jahr die anwesenden Preisträger früherer Jahre gestiftet und der abwesende Böll, von dem der Vorschlag stammte; Eich, Bichsel, Walser, Grass, Morrien. Die so zusammengekommenen 6000 DM bekam Jürgen Becker für seine Lesung des Prosastücks „Ränder“; wegen knapper Stimmenunterlegenheit und auch der Staatenlosigkeit des bedürftigen Griechen Tsakiridis fand Richter es nicht erpresserisch, die Verleger sofort zur Spende aufzurufen, und gl eich jagten einander die angebotenen Summen für den freundlichen Hippie: 500, 1000, 500, 500 und so weiter; otto F. Walter, Partner des Luchterhand-Verlegers, bot mit 2000 spontan das meiste und brachte damit den Betrag ohne Preisbezeichnung, die Hilfe für Tsakiridis, über die 6000 für Becker. Alle fanden die Lösung sehr glücklich, das Fernsehen fand den Vorgang sehr telegen, schon brach Abschiedsstimmung aus und trieb die Gratulat ionen zur Eile an, Richter lo bte das Niveau dieses Treffens, Mitfahrer suchten Selbstfahrer, zum letzten Mal über die Wiesent – und das fränkischschweizerische Gestein, so viel weiß ich seit der Rückkehr in Unselds schnellem Citroen, ist altvulkanisch und aus Basalt.
Süddeutsche Zeitung vom Dienstag. 10. Oktober 1967 / Nr. 242
von Joachim Kaiser
Allerlei Neues aus der Pulvermühle
Bericht von der Tagung der Gruppe 47
llse Aichinger, gerade auf einer Amerikatournee, hatte absagen müssen. Zu einer Tagung der 47er könne sie erst wieder kommen, wenn die Gruppe volljährig sei. So feierte man denn den 20. Geburtstag der Gruppe 47 ohne llse Aichinger und Ingeborg Bachmann. Peter Weiss war, wegen einer Berliner Premiere, gleichfalls nicht erschienen; Böll auch nicht, aber er hatte, zusammen mit einigen anderen ehemaligen Preisträgern, den Preis gestiftet. Von den prominenten Kritikern hatten die Professoren abgesagt: Walter Jens und Hans Mayer. Wer will, mag daraus Rückschlüsse über die (zwischen gut hundert Intellektuellen natürlich immer vorhandenen) internen Spannungen in der alternden, wenn auch noch nicht volljährigen Gruppe 47 ziehen.
Erschienen waren – neben einem Troß grau gewordener Freunde, erinnerungssüchtiger Veteranen – von den „Berühmten“ Gunter Grass, der eigentlich gruppenmüde Martin Walser, Günter Eich. Reich-Ranicki, Höllerer, Fried, Peter Wapnewski (Ordinarius an der FU, Berlin), Baumgart und der Schreiber dieser Zeilen kümmerten sich neben anderen ums Kritisieren. Es lasen nicht nur längst bestätigte Schriftsteller wie Grass, Lenz, Eich und Jürgen Becker, der verdientermaßen den Preis erhielt, sondern auch ungewöhnlich viele Neulinge. Ein paar von ihnen beeindruckten stark, haben in der Gruppe bestanden und damit – das ist wohl das Verdienst dieser Schriftsteilervereinigung als auch die unvermeidliche Ungerechtigkeit gegenüber allen denen, die aus irgendwelchen Gründen keine Chance zum Vorlesen bekommen – einen Platz in der literarischen Öffentlichkeit. Sie heißen Renate Rasp, Vagelis Tsakirides, Barbara Frischmuth und Helga Nowak. Damit hat die Gruppe 47 ihre Funktion, die darin besteht, aus einem unverbindlichen literarischen Gespräch einen verbindlicheren literarischen Test zu machen, erfüllt.
Der 20. Geburtstag der Gruppe 47 hat wieder viele hundert Buchseiten über die Gruppe und ihre Problematik zutage gefördert. Das schafft Überdruß, zumal der simple Sachverhalt, der außerordentlich komplizierte gruppenpsychologische Konsequenzen mit sich bringt anscheinend weder klar darstellbar noch für Außenstehende glaubhaft ist. Hoffentlich haben die Publikationen immerhin die Wirkung, daß manche Autoren nun wenigstens ihre eigenen Vorurteile und die fremder Leute nicht noch einmal abschreiben. Kopfschüttelnd sagte während der Tagung zum Beispiel Rudolf Augstein, alles über die Gruppe Mitgeteilte sei falsch. Ich erinnerte ihn schadenfroh an ausführli che Thesen eines in Hamburg erscheinenden deutschen Nachrichtenmagazins, wo beispielsweise von der Diktatur und Vaterrolle des unwiderstehlich dominierenden Günter Grass die Rede gewesen war. Augstein lachte, wie sagt man doch, sardonisch. Denn Grass, der Ausschnitte aus einem längeren Gedichtwerk vorgelesen hatte, war ganz negativ beurteilt worden. Den Gruppenmitgliedern hatte weder eine Variation über die Klagelieder Jeremiä (samt Zitat über den ersten Vers des 4. Kapitels „Wie ist das Gold so gar. verdunkelt“) noch eine genaue Phantasie über den Butterberg“, noch eine von politischem Mißmut überzogene Beschreibung der regierenden Sandmännchen in West und Ost gefallen. Man hatte Grass das Pathos seines „0 Weh“ und die Direktheit seiner Attacke nicht „abgenommen“. Im Gegensatz zum Schicksal anderer Kritisierter weit geringeren Ranges, erhob sich nicht eine Stimme für ihn, den Diktator. (Er hält es aus.)
Im Schatten Stockholms oder der New Yorker Skyline wäre der erste Tag dieses Treffens ein literaturpolitisches Unglück gewesen. In der „Pulvermühle“, einem gemütlichen Gasthaus in der Fränkischen Schweiz, war er halt nur ein Beweis dafür, daß jedesmal von neuem die Spontankritik erst ihren Ton finden muß und daß mittelschwache Arbeiten weder Enthusiasmus hervorzurufen vermögen noch geltende Opposition, sondern höchstens gelangweilte Bildung. Es trat zutage, daß gesellschaftskritische Ironie für die Herstellung eines literarischen Textes, der doch mehr dartun soll als die Überlegenheit eines Autors über seine Opfer, einfach nicht hinreicht, selbst wenn der Autor auch die eigene Position ironisiert. Darum schien etwa eine Arbeit von F. C. De lius „Butzbach, Butzbach über alles“ flach zu bleiben.
Das erste literarische Ereignis waren Gedichte und Prosastücke des (wie man glücklicherweise erst später erfuhr, sonst wäre die verhältnismäßig positive Reaktion der Gruppe als eine reine Mitleidsbekundung auszulegen) ohne Paß und Geld in Berlin sich durchschlagenden Exilgriechen Vagelis Tsakirides: konservativ, bildmächtig, bitter und allegorisch, manchmal nach dem Modell von Kafkas „Auf der Galerie“ gearbeitet, sympathisch, rührend und doch nicht flach. Dann kam, als erste der diesmal mächtig beeindruckenden Damen, die Österreicherin Barbara Frischmuth an die Reihe und las eine giftige, von keiner falschen Sentimentalität getrübte Studie über den (spätbürgerlich getönten) Machtkampf zwischen einer unangenehmen Großmutter und einer nicht weniger unangenehmen Enkelin. Das ging über Ironie hinaus und unterlief bloße Gesellschaftskritik, war eine unverkrampfte Weiterführung der „Unterrichtsstunde“ lonesco und der „Zofen“-Mentalität Genets, dabei unterhaltend, keineswegs literarisch aufgedonnert oder anspruchsvoll.
Uwe Brandner gab eine Blütenlese aus einem Roman, der mit grotesker Phantasie und formaler Unbefangenheit in der Nähe von Boris Vians komischem Kosmos liegt. Wer, beispielsweise, zu viel Kamillentee trinkt, läuft Gefahr, nachts im Bett Wurzeln zu schlagen; Doch weil Brandner nur die mehr oder weniger witzigen Sequenzen vorlas, lief die Groteske sich tot, und die Hörer waren über die Beschaffenheit des Buches getäuscht. Baumgarts Gedichte, genau gedacht, zeigten Spuren der Doppelbemühung, die Konstruktion wieder hinter Denkbildern verschwinden zu lassen. Sie kreisten um die Dialektik Natur-Literatur. Das Cortez-Gedicht beeindruckte tief, überschattete das übrige.
Ein erstaunliches Debüt hatte Renate Rasp. Ihre Gedichte galten dem Sexus. Den Gewalttätigkeiten des Triebes. Sie stellte Allersubjektivstes kalt und trotzdem mit expressivem Überdruck als Allerallgemeinstes dar, vermies selbst im Schamlos-Bekenntnishaften das „Ich“, ließ ihre Verse zu Infinitiven erstarren im „man“ sich objektivieren. Einer perfekteren Mischung aus minutiöser Knappheit und kräftiger Konstruktion begegnete man schon lange nicht mehr. Gruppenexperten erinnerten sich dabei an Gisela Eisners Debüt (Die Emanzipation dürfte uns Männer, zumindest literarisch, noch mit einigen blutigen Überraschungen konfrontieren.)
Voller Ironie, voller Phantastik, Mitleid, Schwung und Drolligkeit waren drei Studien von Helga Nowak. Ein Teenager, ein Kolonialkriegsveteran, ein aus Albees „Zoo-Geschichte“ erfolgreich entlaufener Jüngling waren die stets skurril-sympathischen Helden dieser Pop-Prosa, die zugleich an Robert Walser und Kästner erinnerte, die eine literarische Landschaft jenseits der eingeübten Dimensionen und Qualitäten umgrenzte. Jürgen Becker schließlich, seiner Technik nun souverän sicher, gab im Prosastück „Ränder“ heitere Essenzen eigenständiger literarischer Bemühung. Die Gruppe wagte es, wiederum einen Außenseiter auszuzeichnen, wie ja schon der letzte Preisträger Peter Bichsel ein Außenseiter gewesen war. Riesenauflagen sind da nicht zu erwarten. Aber Beckers unaustilgbare Lauterkeit, die Beckettsche Reinheit seiner Prosa und seiner Logik machten ihn gleichwohl zum preiswürdigen Preisträger. Der Aufwand war so sinnvoll wie geordnete Fachsimpelei. Oft auch genauso sinnlos. Auf Grund der Baumgart-Zeile „Hier ist kein Fortkommen mehr / Hier ist gut Bleiben“ entspann sich beispielsweise ein Kritikerduell, inwiefern Baumgart da Eich beraubt habe. Es klang wie eine Spekulation darüber, was bei Shakespeare von Marlowe sei. Ein bärtiger älterer Herr vor mir drängte sich während des Gesprächs in seinen Sessel hinein. In vorgerücktem Diskussionsstadium wagte ich die Streiter zu erinnern: „Günter Eich lebt doch noch, fragen wir ihn.“ Aber die Störung der Diskussion lohnte sich nicht. Eich hatte seinen Vers leider nicht genau im Kopf. (Man soll eben Autoren nicht über Literatur befragen, nicht einmal über ihre eigene.)
Fazit: Die Sterbeglocken für die Gruppe 47 müssen für die 21. Tagung aufbewahrt werden. Diesmal waren zu viele gute Neulinge dabei, zu viele neue Kritiker auch, zu viele neue Beobachter mit Niveau, die in den Pausen sagten, was offiziell vergessen worden war. Und wenn man bedenkt, wie wenig haltbare Institutionen Deutschland hervorzubringen vermag, wie selten hier Traditionen gestiftet werden, die privat und dennoch sinnvoll sind, wie neidisch wir etwa nach England blicken würden, wenn es dort etwas Entsprechendes gäbe (,,typisch englisch, diese Mischung aus unbürokratischer, uninstitutionalisierter Improvisation und Dauerhaftigkeit“, würden wir sagen, „schade, daß dergleichen unter deutschen Intellektuellen ganz unvorstellbar ist“), dann ist schwerlich einzusehen, warum man nicht mit der formlosen Existenz dieser Gruppen zu leben versuchen soll, solange die Gruppe sich produktiv verjüngt und solange sie nicht die unwahre Fiktion wagt oder zuläßt sie allein repräsentiere die deutsche Gegenwartsliteratur.
Die Resolution der 47er
Die Resolution der Gruppe 47 gegen Axel Springer, von der wir gestern berichteten, hat fol genden Wortlaut:
„Der Springer-Konzern kontrolliert 32, 7 Prozent aller deutschen Zeitungen und Zeitschriften. Dadurch ist die zuverlässige Information der Öffentlichkeit gefährdet. Die Schriftsteller der Gruppe 47 halten diese Konzentration für eine Einschränkimg und Verletzung der Meinungsfreiheit und damit für eine
Gefährdung der Grundlagen der parlamentarischen Demokratie in Deutschland.
Wir haben daher beschlossen:
1. Wir werden in keiner Zeitung oder Zeitschrift des Springer-Konzerns mitarbeiten.
2. Wir erwarten von unseren Verlegern, daß sie für unsere Bücher in keiner Zeitung oder Zeitschrift
des Springer-Konzerns inserieren.
3. Wir bitten alle Schriftsteller, Publizisten, Kritiker und Wissenschaftler, die Kollegen im PEN und in den deutschen Akademien, zu überprüfen, ob sie eine weitere Zusammenarbeit mit dem SpringerKonzern noch verantworten können.“
Die Resolution wurde von fast 80 Autoren unterzeichnet, so von Hans Werner Richter, Günter Grass, Reinhard Lettau, Martin Walser, Günter Eich, Wolfgang Hildesheimer, Tankred Dorst, Wolfdietrich Schnurre u. a. (Siehe auch Das Streiflicht.) (SZ)
Frankfuter Allgemeine Zeitung, Okt. 1967
Hans Schwab-Felisch
Politik in der Pulvermühle – „Gruppe 47″ gegen Springer
Preis für Jürgen Becker
Nur die harmlosen Gemüter hatten erwarten können, die 20. Tagung der „Gruppe 47″ werde ganz ohne politische Akzente vorübergehen. Zwar erwiesen sich alle Gerüchte als gegenstandslos, sie werde den Tag Ihres zwanzigjährigen Bestehens zum Anlaß nehmen, auseinanderzugehen. Von solchen Absichten war nichts mehr zu spüren, als die Lesungen begonnen hatten, wie immer ohne jede Förmlichkeit. Dennoch lag Politisches von Anfang an in der Luft. Die „Pulvermühle“, ein idyllisch gelegener Gasthof im derWiesent im Fränkischen, verwandelte sich bald in einen Ort, an dem die Fernsehleute nicht nur Literatengesichter und herbstliche Waldeshöhen zu filmen hatten. Schon am Freitagmorgen – die Tagung hatte kaum begonnen – fanden sie andere Objekte.
Im Wirtshausgarten hatten Heinzelmännchen, deren Herkunft sich mühelos erraten ließ, Plakate an die Bäume geheftet. Sie ließen rasch erkennen, daß hier Leute am heimlichen Werke gewesen waren, die der Gruppe ihre politisch linke Herkunft ins Stammbuch schreiben wollten. Da konnte man zum Beispiel lesen: „Lieber tot als Höllerer“, „Dreht Springer krumme Dinger?“ oder: „Politisch werden ist nicht schwer, kauf keine Springer-Zeitung mehr“. Aber damit nicht genug. An einem Fahnenmast, an dem die traditionsstolzen Farben Frankens, Rot und Weiß, hochgezogen waren – an einem anderen hatte der Wirt die schwarzrotgoldene Fahne der Bundesrepublik gehißt, hing nun plötzlich die des Vietcong, rot-blau mit Stern.
Die fleißigen Heinzelmännchen, das sollte sich am Samstag herausstellen, waren Leute des SOS aus Erlangen gewesen. An diesem Tage kamen sie in einer kämpferisch-entschlossenen Gruppe zur „Pulvermühle“ angerückt und forderten – davon soll in einem folgenden Bericht die Rede sein – entschlossene Anti-Springer-Resolutionen. Doch waren sie zu spät gekommen. Eine Resolution in Sachen Springer war bereits nach heftiger Diskussion in der Nacht zum Samstag beschlossen und formuliert worden. Sie ist – gegenwärtiger Stand der Dinge – inzwischen von rund 75 Autoren und Kritikern unterschrieben worden und hat folgenden Wortlaut: „Der Springer-Konzern kontrolliert 32,7 Prozent aller deutschen Zeitungen und Zeitschriften. Dadurch ist die zuverlässige Information der Öffentlichkeit gefährdet. Die Schriftsteller der Gruppe 47 halten diese Konzentration für eine Einschränkung und Verletzung der Meinungsfreiheit und damit für eine Gefährdung der Grundlagen der parlamentarischen Demokratie in Deutschland.
1. Wir haben daher beschlossen: Wir werden an keiner Zeitung oder Zeitschrift des Springer-Konzerns mitarbeiten.
2. Wir erwarten von unseren Verlegern, daß sie für unsere Bücher in keiner Zeitung oder Zeitschrift des Springer-Konzerns inserieren.
3, Wir bitten alle Schriftsteller, Publizisten. Kritiker und Wissenschaftl er, die Kollegen im PEN und in den deutschen Akademien, zu überprüfen, ob sie eine weitere Zusammenarbeit mit dem SpringerKonzern noch verantworten können.“
Zu den Unterzeichnern gehören u. a. Hans Werner Richter, Günter Grass, Reinhard Lettau, Günter Eich, Peter Bichsel, Wolfdietrich Schnurre, Peter Rühmkorf, Reinhold Lenz, Wolfgang Hildesheimer, Jürgen Becker, Tankred Dorst, Helmut Heissenbüttel, Martin Walser, Barbara König, Günter Herburger, Marcel Reich-Ranicki, Erich Fried, Peter Härtling.
In der langen und keineswegs Immer glücklich zu nennenden Resolutionsgeschichte der „Gruppe 47″ nimmt diese Entschließung insofern eine Sonderstellung ein, als ihre Unterzeichner gewillt erscheinen, materielle Einbußen um eines politischen Zwecks willen auf sieh zu nehmen. Das betrifft vor allem eine Reihe von Autoren, die im Gegensatz zu den hier genannten noch nicht bekannt genug sind, um sich ihre publizistischen Foren selbst aussuchen zu können.
Als die Tagung am Sonntagmittag zu Ende ging, waren freilich alle politischen Implikationen an den Rand gerückt. Die Wahl des Preisträgers verlief spannend. Erst im zweiten Wahlgang konnte JürgenBecker eine allerdings eindeutige Mehrheit für sich verbuchen. Er hatte aus einer neuen Prosaarbelt „Ränder“ gelesen. Die meisten Stimmen nach ihm erhielt Vagelis Tsakiridis, ein Grieche, der im Zusammenhang mit den Berliner Ereignissen öfter genannt worden ist. Er hatte in deutscher Sprache Gedichte gelesen. Der Preis in Höhe von 6000 Mark für Jürgen Becker war von allen anwesenden ehemaligen Preisträgern und von Heinrich Böll gestiftet worden, der aus Krankheitsgründen nicht gekommen war. Dann wurde, zum ersten Mal in der Geschichte der Gruppe 47 und überraschenderweise, noch ein zweiter Preis vergeben. Hans Werner Richter, der auf die Notlage von Tsakiridis hingewiesen hatte, appellierte mit Erfolg an die anwesenden Verleger, auch ihm einen Preis zukommen zu lassen. Durch Zurufe kamen in Minutenschnelle 6500 Mark für ihn zusammen.
Guntram Vesper: Eingeladen meiner Hinrichtung beizuwohnen …..
Aus: Toni Richter, Die Gruppe 47
Eines alltäglichen Junimorgens liegt ein Brief im Kasten, aus Berlin oder München: Hans Werner Richter hat dir geschrieben. Du liest die zehn, allenfalls fünfzehn handschriftlichen Worte: Wenn Sie lesen wollen, hier die Einladung. Schreiben Sie, ob Sie wollen oder nicht. Du greifst zur Zeitung und willst deinen Morgenkaffee fortsetzen, aber du kommst nicht recht zur Ruhe, untersuchst das Kuvert und findest einen bunten Prospekt: Gasthof und Pension Pulvermühle, Waischenfeld, Fränkische Schweiz. Du schaust dir auch das Foto an: solide Gebäude aus deutscher Feudalzeit, in denen wirst du also drei Tage zubringen, wie. Aber als du auf der Rückseite des Zettels Verse findest, wächst deine Zuversicht, auch der Wirt ist ein Dichter: hast du satt das Weltgewühle, dann reise in die Pulvermühle / hier kann der Geist in frohen Stunden, / als Mensch in der Natur gesunden, schreibt da der Kaspar Bezold. Dann ist es soweit, der fünfte Oktober ist angebrochen: ein windiger Donnerstag, weiß Gott.
Nach dem Mittagessen eile ich im geborgten Opel Rekord Baujahr dreiundsechzig der Autobahn zu, biege mit quietschenden Reifen in die Auffahrt ein und fange auch schon an, die Lastwagen nach rechts zu pflügen: eine Wohltat die Lichthupe. Ich durchmesse germanische und andere Kernlande, herbstliche Wälder, Spessart und was weiß ich; von hier ist mancher aufgebrochen: Ostland, Westmark, Nordmark, Tripolis, jetzt bin ich an der Reihe und am Drücker. Forchheim kommt in Sicht, wird umfahren, dann lange nichts.
Endlich hängt eine Leuchtreklame in den Bäumen, führt eine Bohlenbrücke nach rechts und ins wahrhaft Ungewisse, drauf ein breitschultriger Mann, in der Hand ein Schild: Gaststättenbetrieb geschlossen. Er will mich nicht passieren lassen, Soldat an der Wiesent; durchs aufgekurbelte Fenster wird er besiegt, mit stählernem Blick und schnarrender Stimme kommst du auch in der Provinz voran. Ich komme in die Pulvermühle, in die Gaststube, rechts steht die Theke, im Hintergrund tut sich ein weiter Raum auf; Grass, das erkenne ich bald, war vor mir da, er ißt schon Abendbrot; Härtung trinkt Bier, Walser gestikuliert, Lettau schweigt, noch. Hinter einem Tisch hat sich Hans Werner Richter, aus Bansin auf Usedom gebürtig, wo ich mal sechs Wochen im Zeltlager gewesen bin, verschanzt; er trägt braune Haut aus Samarkand und Freundlichkeit unter die Leute, nebenbei verteilt er die Zimmer. Ich stelle mich vor, aha der, wird er denken, so sieht der also aus, naja.
Abendessen in der Pulvermühle: setzen Sie sich hin, wo Platz ist, sagt Hans Werner Richter und gibt mir einen aufmunternden Stoß. Blindlings gerate ich an den Tisch mit dem gewesenen Preisträger vom letzten Mal, bacchantisch Peter Bichsei, und dem kommenden von diesem Mal, Jürgen Becker; aber der weiß noch nichts von seinem Glück. Ich esse gekochten Schinken und trinke Bier, bitter bitter, und alles dann: teuer teuer. Bekannte Gesichter heben sich ab: Hans Bender lächelt, Karsunke vom Kürbiskern aus München begrüßt mich, ich spreche mit Tsakiridis. Es wird spät. Nachts schrecke ich aus dem Schlaf, ich habe geträumt, der Gang sei nicht drin gewesen und das Auto vom Parkplatz in die Wiesent gerollt. Ich träume sonst nie. Freitagmargen gegen zehn versammelt sich alles im großen Saal: Schriftsteller, Dichterfrauen, Journalisten und Hunde. Nur die Leute vom Fernsehen müssen auf dem Hof bleiben. Richter sitzt unter Girlanden und bunten Glühbirnen vom letzten Tanzabend vor dem Podium; zu seiner Rechten schweigt der sogenannte elektrische Stuhl, er wi rd auch später nie knarren. Dann hebt das Ballett der Debütanten, Arrivierten, Geheimtips, der Verlegerschaustücke und Streber an, wird mittags kurz unterbrochen, setzt sich bis zum Abend fort.
Anderntags konzentrierst du dich am besten auf die Texte. Die Namen sind bekannter, die Texte farbiger, die Lesungen geschulter geworden. Zwischendurch wird die Resolution gegen Springer diskutiert. Hundert Schriftsteller verderben den Text, achtzig unterschreiben. Als der Schwede Gustafsson in seiner Erzählung gerade den Falken loslassen will, wem ist Baku-nin wohl im Zug begegnet, ich werde es nie erfahren, denn zur gleichen Zeit drängen sich Marschmusik, Lautsprecherworte in jedermanns Ohren: Unruhe im Saal. Man dreht den Kopf zur Tür, auf geht sie, herein tritt der große kleine Augstein. Lachen, Entspannung, Augstein setzt sich, Gustafsson will fortfahren. Auf geht die Tür ein zweites Mal. Ein Fremder. Einer, der nicht dazugehört, jung, dick. Mit ernstem Gesicht geht er durch den Mittelgang, um den Hals ein Schild: hier tagt die Familie Saubermann. Richter geleitet ihn hinaus, Luftballons platzen. Die Gruppe tröpfelt auf den Hof. Wir sehen uns dem SOS gegenüber, kubanische Konfrontation, aber wer ist wer. Die fremden Freunde fo rdern: Preis der Gruppe für Günter Wallraff verkünden: lieber tot als Höllerer, verlangen : Resolution gegen Springer. Lettau verliest vor dem Mikro unseren Text: Genossen! Der SOS zeigt sich betroffe n, faßt sich dann, einer ruft durchs Megafon: so ganz befriedigt uns das doch nicht. Aber die Dichter haben ihre Arbeit getan. Mögen jene sie fortsetzen. Rückzug ins Haus, allgemeines Kaffeetrinken im Wintergarten, wer Lust hat, kann sehen, wie im Garten Bild-Zeitungen verbrannt werden.
Am nächsten Morgen hast Du verschlafen und hastig gefrühstückt. Aber dann sitzt du doch auf dem harten Stuhl in der Reihe. Und Hans Werner Richter nickt lächelnd in deine Richtung, du denkst, er meint Walser schräg hinter dir, aber nein: dich. Also doch. Ich stehe auf und gehe die Gasse lang, in der Jackentasche die Gedichte; sechs zu lesen, ist mir gesagt worden, sei vornehm. Ich lese fünf. Das erste Stück schließt mit der Zeile: hier lebte Marx für Historiker und Biografen; die Weiche muß eingangs gestellt werden, finde ich. Einmal glaube ich, eine Zeile ausgelassen zu haben. Schließlich bin ich am Ende. Hans Werner Richter fordert zur Diskussion auf. Schweigen. Das, denke ich, kann mir als Schlimmstes begegnen. Vorgekommen ist es auf dieser Tagung öfter. Fried bittet um nochmaliges Lesen. Ich lese. Fried lobt. Rühmkorf lobt, Höherer lobt,
Karsunke lobt: kluge Sachen werden gesagt, die ich, dort vorn neben Richter sitzend, nicht verstehe und auch nicht behalten habe. Aber schon meldet sich Grass und findet schlecht, daß ich vorher wisse, was ich schreiben wolle; Reich-Ranicki, mir di rekt gegenüber, meldet sich ebenfalls, steht auf, legt los: der frühe Erich Weinert, entsetzlich, ganz schrecklich. Und auch sonst, sagt er, hat er Anliches schon hundert Mal in der DDR-Lyrik gelesen. In der Pause will Höherer meine Gedichte geschrieben sehen, Rühmkorf rät, die Texte an konkret zu schicken, Unseld begrüßt mich, mit Piper ergibt sich ein Gespräch. Jetzt könnte ich abfahren. Aber erst bekommt Becker noch den Preis und Glückwünsche, dann hebt die Verabschiedung an, endlich geht’s in Richtung Forchheim durch die Täler, ade Kaspar Bezold.
Abends bin ich wieder zu Hause. Wie, fragt mein Diener, ist’s gewesen. Ach wissen Sie, sage ich, es war menschlich, ja das, menschlich wars. Kleiner Nachtrag zwanzig Jahre später. Im Reprint Sinn und Form finde ich im zweiten Heft dreiundfünfzig eine Eloge auf den frühen Weinert. Er wird mit Heine verglichen und als einer der hervorragendsten deutschen Dichter des letzten Vierteljahrhunderts bezeichnet. Verfasser des Loblieds: Marceli Ranicki.
Buchbeitrag aus
Anton Sterzl
Was wäre die Weltgeschichte ohne die Franken, Aachen 2007
Darin: Seine Erinnerungen an die Tagung in der Pulvermühle 1967.
Deutsche Chaostage in Waischenfeld. Die „Gruppe 47″, die einflussreichste Literaturvereinigung der Nachkriegszeit, tagte zum letzten Mal. „Irgendwo bei Nürnberg“, schrieb Arnulf Baring bei einer Nachlese nicht sehr genau. Die politische Philosophie der literarischen Talentbörse stimmte nicht mehr mit der rauen Wirklichkeit der kommunistischen Umtriebe und der sowjetischen Westpolitik, aber auch nicht mit den wilden Attitüden der linksradikalen überein. Die Fronten verliefen unübersichtlich in dem unruhigen Deutschland. 1967 kämpften deutsche Intellektuelle oder auch Geistesgrößen mehrheitlich gegen den Springer-Verlag, den sie für ihren Hauptfeind hielten. Und wo explodierte ihr ganzer Zorn in dramatischen Augenblicken? Natürlich in Waischenfeld, streng genommen in der Pulvermühle, wo die Dichterfürsten Günter Grass und Martin Walser, Siegfried Lenz, Peter Härtung, Reinhard Lettau, Tankred Dorst oderWolfdietrich Schnurre, Rühmkorf, Hildesheimer, Eich und Gabriele Wohmann leidenschaftlich – sogar mit Megaphon – debattierten. In die Dichterlesung hinein platzte plötzlich von der Wiesentbrücke her der Lärm und der Hohn von teilweise maskierten jungen Leuten. Sie hatten Transparente und Lautsprecher dabei. Sie verhöhnten die „Dichtergreise“. Sie verbrannten die „Bildzeitung“ und anderes Papier. Der „Spiegel“Herausgeber Rudolf Augstein debattierte verzweifelt mit den aus Erlangen angereisten Anarchisten vom sozialistischen Deutschen Studentenbund (SOS). Die Störertruppe, die nach einem genauen Einsatzplan operierte klaute dem Pulvermüller Kaspar Bezold die Bayernfahne und hisste ihre Vietkongfahne am Mast – vorübergehend nur, weil der Pulverkaspar ohne Hilfe der Literaten einschritt und seine Fahne wieder erstritt. Das Medienaufgebot war groß. Das DDR- Fernsehen filmte. Fast 80 Autoren beschlossen in jenem Oktober 1967 künftig in keiner Zeitung oder Zeitschrift des SpringerVerlages zu publizieren; sie hielten dieses Haus mit seinen 32,7% Anteilen am publizistischen Markt für die große Gefährdung der Meinungsfreiheit und der parlamentarischen Demokratie in Deutschland. Acht Verlage folgten der Aufforderung der Autoren und schlössen sich der Boykott-Resolution an. In Deutschland wehte der Geist angeblich links. Vielleicht war es auch nur der Ungeist des Augenblicks oder eine explosive Mischung aus beiden.
Der Pulvermüller war gewarnt. „Bind“ dein Besteck an, wenn die roten Dichter und Edelkommunisten kommen“, hatte man ihm zugetragen. So falsch war dies gar nicht, weil unter diesen Literaten nicht nur Edelkommunisten waren, die gegen Adenauer schrieben, sondern auch für die Zeitschrift „konkret“, die 1955 in der DDR als Instrument der Unterwanderung gegründet und bis 1964 von dort finanziert war. Die einen wussten es, die anderen waren naiv genug, um es nicht zu wissen. Gründer der Zeitschrift war Klaus Rainer Röhl, der spätere Ehemann der späteren Terroristin Ulrike Meinhoff. Gründer, Herbergsvater und Organisator der „Gruppe 47″ war Hans Werner Richter. Auf den Wirt der Pulvermühle machte er nicht mehr den Eindruck eines in der Wolle gefärbten Kommunisten von ehedem. Von der Kanzel der Waischenfelder Pfarrkirche St. Johannes warnte der Pfarrer Völker vor diesen Leuten, die in verschiedenen Fremdenpensionen untergebracht waren. Man kannte sie nicht. Nur der politisch stets gut informierte Pulvermüller Kaspar Bezold hat wohl diese dramatischen Tage ernsthaft wahrgenommen und eingeordnet. „Ohne den Einmarsch der Russen in Prag wären die immer noch zusammen“, sagte er mir später einmal, als ich einen Geburtstag in seinem gastlichen Haus feierte. „Wenn der Frankenwein seine Wirkung getan hatte, wurde über den freiheitlichen, demokrati schen Sozialismus und den Weg dorthin diskutiert, dass die Fetzen flogen“. Hätte er unter deutschen Dichtern damals gar nicht für möglich gehalten. Seine „Knödel“ – wahrscheinlich waren es doch Klöße – hat der spätere Nobelpreisträger Günter Grass ausdrücklich gelobt.
Tagungsteilnehmer haben aktuell oder aus der Erinnerung über jenes dramatische Finale der „Gruppe 47″ berichtet: Helmut Karasek als junger Redakteur für die „ Stuttgarter Zeitung“ und Marcel ReichRanicki in seinen Memoiren. Die Jahrestagung der „Gruppe 47″ war für 1968 in Prag gedacht. In diesem Jahr aber walzten Sowjetpanzer den Prager Frühling nieder. Die Tagung kam nicht mehr zustande. Der Bund hatte sich überlebt. Er lebte aber im Kino weiter, weil der Regisseur Alexander Kluge in seinem Film „Die Artisten in der Zirkuskuppel: Ratlos“ seine Dokumentar-Aufnahmen von der Schriftsteilertagung in der Pulvermühle in seinem Spielfilm verwendete. Die „Gruppe 47″ agierte im Film als Kongress von Zirkusdirektoren. Ratlos.
Buchbeitrag 1997
Gert Rückel
Ein paar Dutzend Dichter – und kein Vers (Gruppe 47)
Wie die Pulvermühle 1967 Literaturgeschichte machte
(Aus: Bernd Mayer, Gerd Rückel: Von einem Paradies durch das andere. Bayreuth 1997)
Aus: Von einem Paradies durch das andere, Landratsamt Bayreuth 1997. So etvvas hatte es in der Geschichte des Bayreuther Landes noch nicht gegeben: Gleich ein paar Dutzend Dichter und Schriftsteller – unter ihnen die berühmtesten Poeten der Republik kamen an idyllischem Ort zusammen. Und doch kam kein einziger Vers auf die liebliche Gegend dabei heraus, lediglich ein satirisches Gedicht Carl Amerys mit der Oberschrift „Pulvermühlen-Komplott 1967“. Ansonsten war den versammelten Dichtern leider nicht zum Dichten zumute, wie dieser Beitrag erhellen wird.
Zum Glück war die Pulvermühle – sie war damals der Treffpunkt – schon vorher Objekt der Poesie geworden – zwar nicht auf hohem literarischem Niveau, dafür aber recht einprägsam. Auf der Rückseite einer kleinen Wanderkarte, den die Ortsgruppe Ailsbach des „Fränkische – Schweiz – Vereins“ herausgegeben hat, findet sich der Vierzeiler: „Hast du satt das Weltgefühl, I Dann wandre hin zur Pulvermühl‘, /Hier kann der Mensch in frohen Stunden /Am Herzen der Natur gesunden.“ Es war die „Gruppe 47“, die hier vom 5. bis 9. Oktober 1967 ihre 31. Tagung abhielt. Dreißig Jahre später ist die damalige Zusammenkunft der Dichter, Schriftsteller und Literaturkriti ker bereits Legende. Zum Tagungsort Pulvermühle – im Bayreuther Land jedem bekannt – wäre anzumerken, daß in der ursprünglichen Mühle (ihre Geschichte reicht Jahrhunderte zurück) tatsächlich etvva fünfzig Jahre lang Pulver gemahlen wurde, bevor sie im Jahr 1806 in die Luft flog. 1922 wurde hier eine Gastwirtschaft eröffnet, und im laufe der Jahre entstand der heutige Gasthof mit Cafe und Pension. Seele des Familienbetriebes ist Kaspar Bezold, der auch Gastgeber der Literatenvereinigung war. Entstanden war die „Gruppe 47“, wie der Name schon sagt, im Jahre 1947. Hans Werner Richter, „Bindeglied“, Motor und Integrationsfigur der Gruppe, wies schon früh auf die Absichten der Gruppe hin: „Der Ursprung der Gruppe 47 ist politisch – publizistischer Natur. Nicht Lite raten schufen sie, sondern politisch engagierte Publizisten mit literarischen Ambitionen.“
Hans Werner Richter, geboren am 12. November 1908 auf der Insel Usedom, orientiert sich schon in jungen Jahren politisch nach links. In amerikanischer Kriegsgefangenschaft gibt er eine Lagerzeitung heraus, anschließend engagiert er sich in München als Herausgeber der poltisch – litera rischen Zeitschrift „Ruf“. Als diese Zeitschrift 1947 von der amerikanischen Militärregie rung verboten wird, lädt Richter im September 1947 die Redakteure und die Autoren der letzten Nummer des „Ruf“ zusammen mit jungen unbekannten Schriftstellern an den Bannwaldsee nach Füssen ein.
Auf dem „elektrischen Stuhl“ Von Anfang an hat sich ein ganz bestimmtes Ritual herausgebildet: Hans Werner Richter wählt den Tagungsort aus, lädt per Postkarte zu den Tagungen ein, er organisiert sie und leitet die Diskussionen. Neben ihm nimmt der „Delinquent“ auf dem „elektrischen Stuhl“ Platz und liest aus seinen Werken vor, bevor ihn die Kollegen, später auch geladene Berufskritiker wie Joachim Kaiser oder Reich-Ranicki, entvveder „zerreißen“ oder in den literarischen Himmel erheben. Bestehen junge Begabungen diese Feuertaufe, dann ist oft der Grundstein auch für mate rielle Erfolge gelegt, denn Richter konnte seit Beginn der 50er Jahre immer wieder Rundfunkintendanten als Sponsoren gewinnen. Der Rundfunk wird zum Mäzen vieler „47er“ und verbessert dadurch nachhaltig ihre finanzielle Lage. Einige junge Talente werden auf den Tagungen erst entdeckt, so 1952 die Schriftstellerin llse Aichinger. Andere bereits Bekannte rücken ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. Ingeborg Bachmann, Paul Celan, Peter Handtke oder Günter Grass.
So gelten die Gruppentreffen schon bald als „Talentschmiede“ und literarische „Informationsbörse“. Oft meldet sich die Gruppe am Ende der Tagungen mit Petitionen, Protesten und offenen Briefen zu aktuellen politischen Problemen zu Wort. Als Hans Werner Richter im Jahr 1967 die idyllisch gelegene „Pulvermühle“ im Bayreuther Land als Tagungslokal auswählt, ist die Welt alles andere als idyllisch: Der Vietnamkrieg wirft seine Schatten, Kurt-Georg Kiesinger ist Bundeskanzler der großen Koalition von CDU/CSU und SPD. In Berlin gehen Studenten der außerparlamentarischen Opposition auf die Straße, protestieren gegen den Vietnamkrieg, gegen den Staatsbesuch des Schah von Persien, gegen Notstandsgesetze und Wiederaufrüstung, gegen Hochschulreform und Pressekonzentration. Ihre Straßenschlachten mit der Polizei beunruhigen die Republik. Im Grunde ist es reiner Zufall, daß sich die Literaten für ihr 31. Treffen gerade die „Pulvermühle“ bei Waischenfeld aussuchen. Es ist der aus Forchheim stammende Schriftsteller Klaus Röhler, der die „Fränkische Schweiz“ ins Gespräch bringt, und Hans Werner Richter entscheidet sich für das alte Wirtshaus, weil es so abgelegen ist: Dieses Mal will man unter sich sein. Die „Gruppe 47“ ist zu diesem Zeitpunkt bereits schwer angeschlagen. Auf der Tagung im Jahr zuvor, in der Universität von Princeton (USA), war es arg stürmisch zugegangen. Der junge, fast unbekannte Peter Handtke aus Graz hatte sich nach Tagen ermüdender, langweiliger Lesungen zu Wort gemeldet und die Gruppe frontal angegriffen. In den Monaten danach wurden die Angriffe nicht nur von konservativer Seite immer heftiger und polemischer. Deshalb mußte eine neue Tagung stattfinden, „irgendwo auf dem lande, in der Einsamkeit, ohne den Streß der großen Öffentlichkeit“ (Hans Werner Richter). Richter hatte sich durch einen langen Urlaub am Meer auf diese Tagung vorbereitet. „Invasion“ von 70 Schriftstellern.Wer dreißig Jahre später in der Pulvermühle nach Spuren der „Gruppe 47“ sucht, der braucht ein gutes Auge. Drei kleine gerahmte Schwarz-Weiß-Fotos erinnern noch an die Invasion der siebzig Schriftsteller, Verleger und Kritiker im Oktober 1967. Auf einem Foto sieht man einen mißmutig dreinblickenden Günter Grass, auf einem anderen plaudert Hans Werner Richter mit dem damaligen Wirtschaftsminister Karl Schiller, der als Gast vorbeigekommen war. Wenn man danach fragt, holt Kaspar Bezold, der Wirt der Pulvermühle, das Gästebuch hervor. Kein Zweifel: im Jahre 1967 war hier fast die gesamte deutsche Nachkriegsliteratur versammelt: Wolfgang Hildesheimer, Guntram Vesper, Helga Maria Novak, Jürgen Becker, Walter Höllerer, Horst Bienek, Siegfried Lenz, Helmut Heißenbüttel, Peter Härtling, Martin Walser, Peter Bichsel, Erich Fried und andere. Günter Grass lobt die Knödel, Wolf-Dietrich Schnurre die Forellen, und Günter Eich schreibt bedauernd in Bezolds Gästebuch: „Die Pulvermühle hat nur einen Nachteil: Daß man sie nicht mitnehmen kann. “ Mit Literatur hatte der Wirt der Pulvermühle damals nichts am Hut, mit den Lin ken schon gleich gar nicht. Dem Ortspfarrer erschien die Invasion linker Literaten sogar recht bedenklich, wie er in der Kirche bemerkte. Aber Kaspar Bezold war geschäftstüchtig und ließ sich die Chance auf ein volles Haus nicht entgehen. So sperrt er im Oktober 1967 seine Zufahrtsbrücke über die Wiesent für alle Nichtlite raten und überläßt sein Haus für fünf Tage dem „uneingetragenen Literatenverein“, wie der „S piegel“ die berühmte Gruppe nennt. Für die Lesungen im alten Wirtshaussaal (er wird 1972 ein Opfer der Flammen) leiht sich der Wirt Sessel aus dem Landratsamt. Wie immer, wird auch 1967 in der „Pulvermühle“ unter Ausschluß der Öffentlichkeit gelesen und diskutiert. Und doch nimmt die Tagung der „47er“ im Wiesenttal plötzlich einen ganz anderen Verlauf, als beabsichtigt. Hans Werner Richter schildert dies rückblickend so:
„Es ist wie immer. Günter Eich sitzt vor mir, Wolfgang Hildesheimer, Günter Grass, Walter Höllerer, Joachim Kaiser, Martin Walser, Marcel Reich-Ranicki. Aber es fehlen auch viele, Kritiker wie Walter Jens und Hans Mayer Einige sind gekommen – sie sagen es nicht, ich sehe es ihnen an-, um bei der Beerdigung der „Gruppe 47 dabei zu sein. Aber ich denke nicht daran, ihnen eine Beerdigungszeremonie zu bieten. Diese Genugtuung wird es für niemanden geben, auch nicht für unsere Gegner Doch dieser pessimistische Grundzug ist schnell verschwunden. Die Atmosphäre früherer Tagungen stellt sich wieder ein: der Humor, die Freude an der Sprache, an der Literatur Draußen demonstrieren angebliche Studenten. Sie sind in hochfeudalen Wagen angereist. Ich weiß, die wenigsten sind Studenten. Ihre Hintermänner sitzen im Saal Freunde von mir, die sich aus allzu harmlosen Formalisten in lautstarke Ideologen verwandelt haben und nun Revolutionäre spielen. Es ist ein Verdacht, der sich erst sehr viel später bestätigen soll“.
Der Chef der „Gruppe 47“ kann sich aus dem überraschenden Spektakel nicht heraushalten, denn er wird direkt angesprochen: „Die Studenten rufen Richter soll rauskommen‘ oder ähnliches. Ich gehe hinaus, und die Studenten fordern mich auf, per Megaphon natürlich, zu den Grundsätzen zurückzukehren, die ich im ,Ruf‘ vertreten habe, zu einer klassenkämpferischen Position. Ich muß über sie lachen … “ Richter mokiert sich über die ü berraschungsgäste: Es sind höchst seltsame Klassenkämpfer. Ihre Kostümierung ist faschingsähnlich – Klassenkampf – Fasching in der Pulvermühle im Oktober – ein sonderbares Bild. Als ich wieder den Saal betrete, wirft meine Frau einen der Demonstranten hinaus. Er ist als Clown verkleidet und trägt ein Transparent vor der Brust mit der Aufschrift ,Saubermänner‘ . Es geht alles sehr schnell, und der Ankläger ist draußen, bevor ihn jemand bemerkt hat … Doch der Lärm draußen geht weiter, die Störungen werden für die Lesungen unerträglich. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als eine Pause anzusagen – eine Kaffeepause. Alle strömen hinaus, um sich die kostümierten Studenten mit ihren Transparenten anzusehen … “ Hans Werner Richter schildert auch die höchst unterschiedlichen Reaktionen der Teilnehmer zwischen Anpassung und Wut: „Viele lachen, einige schütteln die Köpfe, aber andere stellen sich, nicht sehr offen, mehr versteckt, auf die Seite der Demonstranten. Reinhard Lettau läßt sich das Megaphon geben und hält eine Rede. Sie beginnt mit der Anrede „Genossen“. Der schmale, schmächtige Lettau gibt sich auf einem Stuhl wie Lenin. Eben war er noch pro-amerikanisch und jedes dritte Wort hieß: ich bin ein Amerikaner. Er erzählt seinen Genossen, daß die Gruppe 47′ schon eine Resolution gegen Axel Springer verabschiedet habe, eine Resolution, die die Studenten verlangen. Ich fordere die Teilnehmer auf, wieder in den Saal zu kommen und lasse die Türen schließen. Unterhalb der Glasterrasse, auf der wir dann Kaffee trinken, verbrennen die Demonstranten mitten in einem Obstgarten Zeitungen, Broschüren und anderes. Das wiederum regt Carl Amery so auf, daß er hinausrennt und die Demonstranten anschreit: „Das, was Sie da tun, ist absolut antimarxistisch. Obstbäume sind Produktionsmittel. Die zerstört man nicht“. Als die Lesungen wieder beginnen sollen, sind alte voller Aufregung. Günter Eich, der unmittelbar vor mir sitzt, beugt sich vor und flüstert: Laß mich jetzt lesen. Ich habe das Richtige zur Beruhigung. Aber bevor ich Günter Eich lesen lassen kann, kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen. Günter Grass greift Reinhard Lettau an. Ich habe, sagt Grass, Dir nicht die Genehmigung gegeben, in meinem Namen zu sprechen, und Du hast auch nicht das Recht, im Namen der Gruppe 47 zu sprechen. Lettau verteidigt sich und nun zeigen sich jene ideologischen Fronten, die außerhalb der Gruppe 47′ entstanden sind, an den Universitäten, in den Republikanischen Clubs, auf der Straße. Erich Fried, Yaak Karsunke, Martin Walser ergreifen Lettaus Partei und es gelingt mir nur mühsam, den Streit zu beenden. Erst als ich sage: „Und jetzt liest Günter Eich“, wird es plötzlich still.
Damit scheint die Situation tatsächlich gerettet zu sein. Hans Werner Richter:“ … und Eich liest mit seiner Satire aus den, Maulwürfen‘ über Vater Staat und Mutter Natur alle ideologischen Frontenbildungen hinweg, er liest sie gleichsam vom Tisch. Mir wi rd in diesem Augenblick bewußt, daß Literatur sehr viel stärker sein kann als jede Ideologie. Und Günther Grass verwendet in sei ner Erzäjhlung „Das Treffen in Telgte“, in der er eine Dichttertagung im Jahre 1647, also dreihundert Jahre vor dem ersten Treffen der 47er, schildert, manches Hintergrundmaterial, das an die Tagung der Gruppe in der „Pulvermühle“ erinnert. Die Literaten fühlten sich damals trotz der Auseinandersetzungen und der Störungen von außen recht wohl in diesem romantischen Winkel des Bayreuther Landes. Günter Eich blieb gleich noch eine Woche länger. Tagsüber durchstreifte er mit dem Wirt die Fränkische Schweiz, nachts spielte er mit ihm Schach. Und auch Hans Werner Richter schaute mit seiner Frau Toni fast zwanzig Jahre später nochmals vorbei und war sichtlich überrascht: Er hätte nicht geglaubt, den „Wirt von damals“ anzutreffen, schrieb er ins Gästebuch. Um so mehr freute er sich darüber.
Die „Beerdigung“ fand nicht statt – Das Ende der „Gruppe 47“ war von manchem schon im Oktober 1967 erwartet worden. Das WDR hatte laut Toni Richter schon einem Film vorbereitet (er war auf einem alten Wiener Friedhof gedreht worden), der die Beerdigung der Literatengruppe zum Thema hatte. „Der Streifen: Das Begräbnis der Gruppe 47 wurde nicht gesendet“, merkt die Ehefrau Richters in ihrem 1997 erschienen Buch „Die Gruppe 47“ lakonisch an.
Das Ende der Literatengruppe – Auch wenn die Tagung in der Pulvermühle im Oktober des Jahres 1967 nicht das letzte Treffen der Gruppe 47 war, so hatten sich dort doch nach Ansicht von Hans Werner Richter Tendenzen verfestigt, die die Gruppe über kurz oder lang zerstören mußten: Ideologische Verkrampfungen auf der einen Seite, hochentwickelter Formalismus auf der andern. Richter wollte der Gruppe eine Zerreißprobe ersparen, er suchte nun selbst eine Gelegenheit zu einem „Staatsbegräbnis erster Klasse“. Die geplante Tagung im folgenden Jahr in der Nähe von Prag konnte wegen des Einmarsches der „Roten Armee“ nicht stattfinden. Man traf sich 1972 im kleinen Kreis in Berlin, um dann die „Gruppe 47″ im September 1977 zu ihrem letzten Treffen nach Saulgau einzuladen. Zehn Jahre nach dem Treff in der Fränkischen Schweiz war das Ende der berühmten Literatengruppe gekommen.
Carl Amery
The Powder Mill Plot of 1967
oder: Das Pulvermühle-Komplott von 1967
Aus: Bernd Mayer, Gerd Rückel: Von einem Paradies durch das andere. Bayreuth 1997
(Aus dem Englischen des 19. Jh. übertragen).
Es saßen im Pulvermühle-Saal
Die Verschwörer zu düsterer Stunde –
Sie fraßen ihre Seelenqual
und maßen ihrer Reisigen Zahl
In karg befunzelter Runde.
Sie spannen mit linkem Fraktionsgefühl
Und sannen auf Revolutionen:
Sir Martin saß im Richter-Gestühl,
Sir Wolfgang saß im Dichter-Gestühl
Zwecks rebellischer Resolutionen.
Die Wilden hatten die Brücke gequert
Mitmegaphonen Parolen:
Sie hatten die Literatur gestört
Und, wie sich’s 67 gehört,
Die Schau bei der Presse gestohlen:
Heraus, heraus, ihr Dichtergezücht,
Aus euren Elfenbeintürmen!“
„Parteilichkeit ist heute die Pflicht!“
Und außerdem, das erwähnt man nicht,
Gefragt auf den Fernsehschirmen.
Und so fand sich’s dann am Abend der Schlacht,
Zu tiefgefühlter Kabale:
„Wir formen, formieren die Gegenmacht!“
So murrte es sacht, so knurrt’s in der Nacht
Im düsteren Pulvermühl-Saale.
„Wir brauchen politische Relevanz,
Wir haben sie viel zu wenig!
Weg mit dem ,art-pour-l’art-Popanz!“
Das griff, letzten Ends, nach dem Eichenkranz
Von Hans Werner, dem Bürgerkönig …
Hans Werner, Hans! O spürst du es nicht?
Man schleift an Cromwellschen Beile!
Hat dich noch nicht erreicht das Gerücht,
Daß dir die Barone gebrochen die Pflicht? –
Eile, Hans Werner – eile!
Da! Wusch! steht weit die doppelte Tür,
Hans Werner steht auf der Schwelle!
„Macht hoch das Licht, ’s ist zu dunkel hier-“
Und – klacks – erstrahlt das ganze Quartier
In neon-elektrischer Helle.
Der Bürgerkönig schreitet heran
Zur usurpierten Tribüne:
„Macht Platz, das ist doch mein Stuhl!“
Und dann
Entschärft sich stumm (wer kann, der kann!)
Die Pulververschwörungs-Mine .
So geschah’s auf lieblicher fränkischer Trift,
Im lieblichen Wiesent-Tale:
Frau Klio schreibt’s mit stummen Stift –
Denn sie schreibt nur, was sie betrifft:
Das wahrhaft Monumentale.
Regional
Neues Volksblatt, Bamberg, 24.8.1967
Auch Böll kommt mit der „Gruppe 47″
Westdeutsche Literaten tagen in der Pulvermühle
PULVERMÜHLE /WAISCHENFELD. Die Pulvermühle wird vom 5. bis 9. Oktober außergewöhnliche Gäste beherbergen: Die „Gruppe 47″, eine Vereinigung avantgardistischer westdeutscher Schriftsteller, hält in dieser Zeit ihre 20. Jahrestagung. Rund 100 Mitglieder dieses Literaturkreises erwartet der Pulvermüller Kaspar Bezold. Unter ihnen befinden sich manche, die die westdeutsche Literatur in den beiden letzten Jahrzehnten nachhaltig beeinflußt haben: Günter Grass, Hans Magnus Enzensberger, Peter Weiß, Ingeborg Bachmann, Heinrich Böll, um nur einige der Angemeldeten zu nennen. Sie werden sich zusammen mit dem Vorsitzenden der „Gruppe 47″, Hans Werner Richter in Lesungen und Vorträgen der Kritik ihrer Kollegen unterziehen, allerdings unter Ausschluß der Öffentlichkeit.
So wird der Pulvermüller an diesen Tagen seinen Gaststättenbetrieb für den allgemeinen Besuch geschlossen halten. Dafür nimmt die Öffentlichkeit auf andere Weise an diesem Ereignis teil: Zu der Veranstaltung wurden neben der Presse auch Rundfunk und Fernsehen geladen. Der „Arbeitsbetrieb“ der Tagungsteilnehmer wird nur am Samstag, 7. Oktober eine gesellschaftliche Auflockerung erfahren. Zu einem Festball wird die Gruppe prominente Gäste des öffentl. Lebens einladen. Als Gäste der Pulvermühle sind die Tagungsteilnehmer auch Gäste der Stadt Waischenfeld. Bürgermeister Hans Schweßinger wird sie als Elitegruppe der deutschen Literatur in einer kleinen Feierstunde begrüßen. In einem Schaufenster des Cafe Gardill am Marktplatz werden an diesen vier Tagen die bekanntesten Bücher der „Gruppe 47″ ausgestellt sein.
Nordbayerische Nachrichten, Freitag, 6 Oktober 1967 – Bann um Gruppe 47 WAISCHENFELD (ro) – Die Jubiläumstagung der „Gruppe 47″ hat begonnen. Unter Ausschluß der Öffentlichkeit. In strenger Klausur.
Gruppenchef Hans Werner Richter verlangte einen Wachtposten an der kleinen Holzbrücke über die Wiesent und Pulvermüller Kaspar Bezold stellte ihn. Wie ein Zerberus wies ein 60 Jahre alter Wachmann alle ungeladenen und besonders ungebetenen Gäste von der Schwelle der Pulvermühle. Kein Unbefugter sollte in den „Gral“ der 47er eindringen, über deren Vereinigung wir bereits gestern ausführlich berichtet haben. Hans Werner Richter, der als erster in das wohlvorbereitete Quartier angereist kam, wurde von Kaspar Bezold herzlich begrüßt. „Willkommen in Franken“, ließ sich der Wirt vernehmen und reichte dem Gast aus München einen „Gruß“ von wesentlich anderer Tonart: den „Frankenruf, Nummer 2/67. Darin schreibt Helmuth Hinkeldey aus Ermreuth, der Wortführer des Kulturbundes Franken:
„Wie wir erfahren, feiert die Gruppe 47 ihr 20jähriges Bestehen Anfang Oktober in der Pulvermühle in der Fränkischen Schweiz. Bekanntlich ist die Gruppe 47 eine lose Vereinigung linkslastiger Literaten. Zu ihr gehören H. W. Richter (als Initiator), M. Enzensberger, H. Böll, M. Walser, R. Lettau. G. Grass. R. Hochhuth u. a. Diese Leute fallen auf durch ihre Schreiberzeugnisse, in welchen fast alles überlieferte für verachtenswert angesehen wird und durch ihre politischen Aufrufe und Freundschaften. Der eine verschenkt das Geld seines Nürnberger Kulturpreises an angeblich ve rfolgte Kommunisten, ein anderer wiegelt die Berliner Studenten gegen die Polizei auf. Man fragt sich, was wollen diese Leute bei uns in Franken? Daß ein Gastronom sie beherbergt, sei ihm unbenommen. Geld stinkt nicht. Aber wir wollen beobachten, wie unsere regionale politische Prominenz sich verhält. „Arm in Arm mit den Vertretern der Negation?“ Wer zuviel toleriert, macht sich
unglaubwürdig!“ Hans Werner Richter las – und schwieg. Solche Stimmen tönen ihm bekannt. Also kein Kommentar. Stellung nahm Richter dagegen zu einer Erklärung und Resolution, die ihm Mitglieder des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes aus Erlangen an der „Bannmeile“ übergaben. In seiner Erklärung betont der SOS, die Gruppe 47 repräsentiere im Bewußtsein der Öffentlichkeit die westdeutsche literarische, kritische – immer noch – linke Intelligenz. Bei ihrer Gründung habe die Gruppe die politische Funktion der Literatur, zur Erhaltung und Festigung der Demokratie beizutragen, anerkannt. Die elementarsten Bestandteile der Demokratie, freie Äußerung der Meinung und ihre publizistische Verbreitung, würden aber heute in einem gewaltigen Prozeß der Manipulation
durch die Bewußtseinsindustrie unterworfen. Der Springer-Konzern sei eines der mächtigsten Bollwerke dieser Manipulation.
Die Forderung der sozialistischen Studenten, diese Resolution bei der Tagung zu verlesen, lehnte der Gruppenchef ab. Die Gruppe komme nur aus literarischen Gründen in der Pulvermühle zusammen, die Tagung sei privat und intern und dürfte von außen nicht gestört werden, war seine Antwort. Die Spielregeln bestünden seit zwanzig Jahren durch derartige politische Diskussionen und Stellungnahmen von außen könnte die Gruppe zersplittert werden. Es würde dann wohl nicht mehr lange dauern und die Gruppe wäre tot. Nach wie vor verstehe sie sich als eine wichtige Institution für die Linke, die Tagungen seien aber nicht der Ort für politische Manifestationen. Von Richters Angebot, die SOS-Resolution auf den Kaffeetischen auszulegen, wollten die Studenten keinen Gebrauch machen. Nach dieser
unvorhergesehenen und vor allem für die Teams des Ersten und Zweiten Fernsehens höchst willkommenen Unterbrechung, begann für die beim Wachmann an der Brücke postierten Fernseh- und Presseleute wieder das Warten auf die literarische Prominenz. In Wind und Regenschauern wurde gefroren und bei jedem aufkommenden Motorengeräusch sofort journalistische Aktivität entfaltet. Meist war es jedoch blinder Alarm. Einer der interessantesten Köpfe, der am Nachmittag ins Kameraschußfeld kam, war GruppenOldtimer Günter Eich. Auch Star-Kritiker Prof. Walter Höllerer wurde im Gefolge einiger jüngerer Autoren seines Berliner „Literarischen Kolloquiums“ beim Spaziergang durch das Wiesenttal auf die Platte gebannt. Gegen 18 Uhr kam „Blechtrommler“ Günther Grass.
Nordbayerische Nachrichten vom 7 .10.1967 – Bildtext leerer Saal Stille ist gestern, nach dem Anfahrtstrubel des ersten Tages, in der „Pulvermühle“ eingekehrt. Die „Gruppe 47″ hatte sich ab zehn Uhr vormittags in den Tagungssaal zu ihren Lesungen zurückgezogen „unter Ausschluß der Öffentlichkeit“.
Die eingeladenen 130 Autoren und Kritiker sind nun fast alle angekommen. Rund 40 von ihnen nehmen zum ersten Mal an einer Tagung teil. Zehn Debütanten stellen sich der Gruppenkritik. Als prominente 47er trafen inzwischen noch Martin Walser und Reinhard Lettau ein. Dramatiker Peter Weiß wird erst heute in der „Pulvermühle“ erwartet. Nur zum Mittags- und Abendtisch und kurzen Spaziergängen verließen die Literaten gestern ihre noch immer bewachte „Enklave47″. Kuriosität am Rande: Im Tagungsraum – den unser Bild vor Lesungsbeginn zeigt – sitzen die Dichter-Damen auf jenen weichen hellen Ledersesseln, die sonst im Sitzungssaal des Landratsamtes Forchheim für die Kreisräte zu harten Sitzungen reserviert sind.
Nordbayerische Nachrichten vom 9.10.1967 – Novizen und Meister – Günter Grass zeigt sich auf dem Parkett als versierter Virtuose – Augstein beim Fußball – Die Sonnys aus Forchheim spielten auf – „Literaten sind auch Menschen“ WAISCHENFELD (tv) -Ärgerliche Störung und willkommene Entspannung kennzeichneten den turbulenten Samstag im Literaten-Kral Pulvermühle.
Die Gruppe 47 musste sich bei ihrer Jubiläumstagung – im 20. Gründungsjahr kamen sie zum 31. Male zusammen – einen massiven Ansturm des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SOS) gefallen lassen, der über Richters Dichter-Refugium sogar die Vietcong-Fahne aufzog. Als Wirtschaftsminister Prof. Schiller zum Abschlusstag überraschend erschien und Preisträger 67 Jürgen Becker gratulierte, war sie längst entfernt. Doch dieses Intermezzo mit lautstarken Reden und begehrlichen Resolutionen, das die Schriftsteller zwar interessiert fand, jedoch in ihrer Mehrheit keineswegs bereit, als Bannerträger vorwegzumarschieren, war am Abend vergessen, als die Sonnys aus Forchheim im Saal der Pulvermühle zu einem anderen Tanz aufspielten. Wo noch ein paar Stunden vorher die Autoren und Verleger, die Kritiker und Gäste nach geübtem Ritual die Leistungsproben der Novizen und Meister angehört hatten – „es war nichts Großes, überragendes dabei, aber viele gute Sachen“, urteilte Gruppenmitglied Carl Amery, war nun Platz zu rhythmischer Betätigung.
Die Autoren zeigten sich umso gelöster, als sie eine schwere Geburt hinter sich hatten: eine von 80 Mitgliedern der Gruppe unterzeichnete Resolution gegen Springers Pressekonzentration, worin die Schriftsteller eine „Einschränkung und Verletzung der Meinungsfreiheit und damit eine Gefährdung der Grundlagen der parlamentarischen Demokratie in der Bundesrepublik“ sehen. 80 Siebenundvierziger kündigten Springer ihre Mitarbeit an seinen Blättern auf. Nicht zufrieden mit dieser Resolution zeigten sich Demonstranten des SOS Erlangen, die wie schon am Donnerstag wieder in großer Zahl angerollt kamen, sogar mit einem „Jaguar“. Sie forderten „Richter lass die Dichter raus“ und platzierten Parolen auf Transparenten im nächtlichen Talgrund. Am Samstagmorgen konnte man bei Tageslicht dann lesen: „Die Gruppe 47 ist ein Papiertiger“. Beim „Ave Maria“ verbrannten die Studenten Bild-Zeitungen. Richter, Grass und andere zeigten sich empört über die Störung, andere feixten und waren zu einer Diskussion animiert.
Nachdem Gruppenchef Hans Werner Richter mit seiner Frau Antonie zu den Klängen eines Landlers den Festball in ländlicher Abgeschiedenheit eröffnet hatte, und nachdem das Gros der Hundertschaft so nach und nach aus den Quartieren ringsum im Wiesenttal eingetrudelt war, sah man bald Günter Grass mit seiner Frau Anne eine „kesse Sohle“ zeigen, belustigte sich Barbara König als „Personenperson“ mit ihren Partnern, erwies sich Amery als TanzEquilibrist von artistischen Graden. An den Tischen im Saal und der Terrasse hockte derweil vor Wein oder Orangensaft – zu fortgeschrittener Stunde überwog sogar Hessenquelle –
die Prominenz in angeregtem Gespräch, so Augstein mit dem tanzunlustigen Walser und Rühmkorf, Marcel Reich-Ranicki mit Unselt, Wagenbach mit Lettau, die schon zuvor mit einem Beatle-Song brilliert hatten, Kolbenhoff mit Höllerer, Hildesheimer und Siegfried Lenz. Preisträger Bichsel hielt in Schwyzer Dytsch eine Laudatio auf Richter, die keiner verstand. Sie alle hatten kaum einen Blick für die „Moden“ der Damen, die vom Strickkleid bis zur Abendrobe, vom Minirock bis zur langen Schleppe reichte. Rücken- und nabelfrei wurde in reizvollen Variationen vorgeführt, blieb aber in einigen Fällen auf die Jungdichter ohne Eindruck. Wer sich dem stillen Trunk ergab – Wirt Bezold stellte befriedigt fest: „Die trinken aber gut“, überhörte sogar das lautverstärkte Musizieren der Sonnys, die zu später Stunde
immer weniger dazu kamen, ihr Pausenzeichen zu senden, so stürmisch wurden heiße Hits gefordert. Nach Mitternacht – und nicht erst dann – zeigte sich, wie ein ergrauter 47er ausdrückte: Literaten sind auch Menschen, oder, wie er nach einigem Nachdenken anfügte: Auch Literaten sind Menschen. So gesehen, gewinnen auch alle vor und während der Tagung geäußerten Befürchtungen, daß die Gruppe 47 am Ende oder am Anfang eines neuen Weges stünde, die richtige Distanz. Jürgen von Hollander schrieb in einem Taschenbuch mit 100 Karikaturen literarischer Zeitgenossen der Gruppe 47 – von Henri Müller-Brockmann spitz gefaßt – die Schlussbemerkung, die auch auf die letzte Seite der Jahrestagung in der Pulvermühle geschrieben werden kann:
„Die Gruppe: seit 20 Jahren beinahe alljährlich kurz vor dem Auseinanderfallen und doch nicht kleinzukriegen. Romanisches Cafe, Cafe Größenwahn motorisiert. Stammwirtschaft für hundert Literaten ohne Gemütlichkeit. leerer Raum zum Ablegen von Missverständnissen, Minderwertigkeitsgefühlen und Liebeserklärungen. Minister Dufhues Verschwörerzirkel der Schrifttumskameraden. Drei anstrengende Tage, in denen sich an die hundert Literaten und Journalisten eine interessierte Öffentlichkeit vorspielen, die es nicht mehr gibt. Literaturmagazin ohne Druckpapier, in dem Dichter erscheinen können, für die sonst nirgendwo Raum ist. Alle, die kritisieren und sich stark genug dazu fühlen, sind aufgerufen: Gründet eine bessere Gruppe 47.“
Nordbayerische Nachrichten vom 9. Oktober 1967
Resolution der „Gruppe 47″ – Tagung in der „Pulvermühle“ ist beendet Gegen die Konzentration der deutschen Presse in der Hand Springers laben sich in einer
Resolution 80 Teilnehmer der „Gruppe 47″ bei ihrer 29. Jahrestagung in der „Pulvermühle“ bei Waischenfeld gewandt.
In der Resolution wird betont, daß 32,7 Prozent aller deutschen Zeitungen und Zeitschriften vom Springer-Konzern kontrolliert würden. Dadurch sei die zuverlässige Information der deutschen Öffentlichkeit gefährdet. Wörtlich heißt es: „Die Schriftsteller der .Gruppe, 47′ halten diese Konzentration für eine Einschränkung und Verletzung der Meinungsfreiheit und damit für eine Gefährdung der Grundlagen der parlamentarischen Demokratie in der Bundesrepublik.“ Die Schriftsteller hätten deshalb beschlossen, in den Zeitungen und Zeitschriften des Springer-Konzerns nicht mitzuarbeiten.
Weiter heißt es in der Resolution: „Wir erwarten von unseren Verlegern, daß sie für unsere Bücher in keiner Zeitung und Zeitschrift des Springer-Konzerns inserieren.“ Außerdem werden alle Schriftsteller, Publizisten, Kritiker und Wissenschaftler, die Kollegen im PEN und in den deutschen Akademien, gebeten, zu überprüfen, ob sie eine weitere Zusammenarbeit mit dem Springer-Konzern noch verantworten können. Zu den prominentesten Unterzeichnern dieser Resolution gehören Hans Werner Richter, Reinhard Lettau, Günter Grass, Erich Fried, Günter Eich, Walter Höllerer, Helmut Heissenbüttel, Peter Härtung, Martin Walser, Peter Rühmkorf, Wolf Dietrich Schnurre, Alexander Kluge und Ernst Schnabel. Bis zur Buchmesse solle, wie von Lettau, dem Initiator der Resolution, erklärt
wurde, eine Solidaritätserklärung von Verlegern vorbereitet werden. Ihre Zustimmung haben bereits die Verlage Suhrkamp, Rowohlt, Piper, Luchterhand, Hanser und Wagenbach gegeben.
Mit der Verleihung des 10. Preises der Gruppe 47 an den in Köln lebenden 32-jährigen Schriftsteller Jürgen Becker ging gestern Nachmittag die Tagung in der Fränkischen Schweiz zu Ende. Becker, der bereits vor Jahren mit seinem Prosaband „Felder“ bei der Kritik Eindruck gemacht hatte, hatte Auszüge aus seinem! noch nicht vollendeten Prosatext „Ränder“ gelesen, der im nächsten Jahr verlegt werden soll. Die Kritik gab in einer Kampfabstimmung Beckers Reflexionen den Vorzug vor den Lyrik- und Prosa-Proben des jungen griechischen Autors und Bildhauers Vagelis Tsakirides, der seit einigen Jahren in Berlin lebt. ro
Fränkischer Tag, Redaktion Forchheim vom 09.10.1967 – Erlanger Studenten hissten Vietkongfahne – SOS-Demonstrationen zur Waischenfelder Tagung der „Gruppe 47″ WAISCHENFELD.
Am Nachmittag wurde die Demonstration dann echt, als eine etwa 15-köpfige Vertretung des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes mit Spruchbändern und Plakaten eintraf, die die tagenden Schriftsteller aufrief, noch schärfer gegen die „Springer-Konzentration“ der öffentlichen Meinungsbildung aufzutreten. Als die jungen Studenten vor dem Saal der Pulvermühle, in dem die Schriftstellergruppe eben eine Vorlesung hielt, Aufstellung nahmen, tönten Sprechchöre wie „Die Gruppe 47 ist nur ein zahmer Papiertiger“ über den Platz. Ein Studentenvertreter verlas ein Manifest, in dem es u. a. hieß: „Die elementarsten Bestandteile der Demokratie, Äußerung der Meinung und ihre publizistische Verbreitung, werden heute einem gewaltigen Prozess der Manipulation durch die Bewusstseinsindustrie unterworfen. Auch der größte Teil der liberalen Öffentlichkeit erkennt den Springerkonzern als einen der mächtigsten Bollwerke dieser Manipulation.“ Die Gruppe 47 wurde aufgefordert, nicht mehr länger in ihrer politischen Passivität zu bleiben. Die Jahrestagung der Gruppe 47 fand unter strengster Abgeschlossenheit vor der Öffentlichkeit statt. Ein stämmiger Brückenwächter auf dem Weg zur Pulvermühle sorgte dafür, dass kein Unbefugter die Ruhe der Tagung störte.
80 Teilnehmer unterschrieben eine Resolution, die sich gegen den Springer-Konzern richtet. In der Resolution wird festgestellt, dass der Konzern mit seiner Kontrolle von 32,7 Prozent aller Zeitungen und Zeitschriften In der Bundesrepublik eine zuverlässige Information der Öffentlichkeit gefährde. Die Gruppe habe deshalb beschlossen, dass sie in keiner Zeitung oder Zeitschrift des Konzerns mitarbeiten wolle. Die Schriftsteller erwarten von Ihren Verlegern, dass sie für die Bücher von Angehörigen der „Gruppe 47″ in keiner Zeitung des Springer-Konzerns ein Inserat aufgeben. Außerdem werden alle Schriftsteller, Publizisten, Kritiker, Wissenschaftler und die Kollegen im Pen-Zentrum um eine Überprüfung gebeten, ob sie eine weitere Zusammenarbeit mit dem Springer-Konzern noch verantworten können. Die Resolution wurde unter anderem von Hans Werner Richter, Reinhard Lettau, Günter Grass, Erich Fried, Günter Eich, Walter Höllerer, Helmut Heißenbüttel, Peter Härtling, Martin Walser, Wolf Dietrich Schnurre, Alexander Kluge und Ernst Schnabel unterzeichnet. Die Studenten fanden diese Formulierung zu mild und verlangten die Enteignung der Springerpresse.